Brand in U 5 mit drei getöteten Kindern

Tödliche Mischung aus „Wohlstandsgefälle“, prekärem Arbeits- und Wohnungsmarkt und Illegalisierung

Die Betroffenheit war wieder groß, der für Sicherheit in Mannheim zuständige Dezernent Christian Specht (CDU) eilte nachts zur Unglücksstelle und sprach der 22 jährigen Mutter, die ihre drei Kinder verloren hatte, bei der Totenfeier in der großen Moschee am Luisenring seine Anteilnahme aus. Die Familie gehört zur türkischsprachigen Minderheit in Bulgarien. Herr Specht gehört zur „Arbeitsgruppe Südosteuropa“.

Noch in der Brandnacht zeichnete sich ab, dass es sich wohl nicht um einen ausländerfeindlichen Brandanschlag gehandelt habe. Es war ziemlich schnell klar, dass es ein „Anschlag“ der lebensfeindlichen Armutsverhältnisse war.

Kein Mensch ist illegal

Im Verlauf der Untersuchungen schälte sich heraus, dass ein fehlerhaft verlegtes Kabel in der Küche der Zweizimmerwohnung den Brand verursacht habe. Der zu geringe Kabelquerschnitt habe zu einer Überhitzung der Stromleitung geführt. Vor allem aber sei – nach Informationen des Mannheimer Morgen vom 28.2. – die Stromversorgung von der darunter liegenden Wohnung mittels eines von Fenster zu Fenster gezogenen Kabels abgezapft worden. War da vielleicht der Zähler kaputt oder gar gesperrt? Am 8.3. erfahren wir aus dem MM eher beiläufig, die Mutter habe in der Unglückswohnung „illegal mit den Kindern gelebt“. Gegenüber wohnen Schwester und Schwager, die die junge Frau nun auch beherbergen. Ihr Mann habe sie verlassen. War die EU-Bürgerin nicht gemeldet? Oder lebte sie in der Wohnung, weil diese gerade frei war, ohne Mietvertrag? Bekam sie keine Leistung nach SGB II? Wie kann jemand aus der EU „illegal“ sein? Fürchtete sie die „Rückführung“, da mittellos?

Ihr Wohnhaus gehört zu den 107 Liegenschaften, die von der „Arbeitsgruppe Südosteuropa“ mittlerweile als „Problemimmobilien“ geführt werden. Es sei nicht die krasseste dieser Immobilien: 9 Parteien mit 45 gemeldeten BewohnerInnen. Keine Matratzenlager. Aber die Stromversorgung gab bereits nach einer Begehung im November 2013 Anlass zu einer Auflage an den Vermieter, die Mängel zu beheben. Der konnte auch die Beauftragung eines Fachbetriebes nachweisen, aber eben nur dies und nicht die Reparatur selbst. Allerdings ist der Bezug von Strom hinter einem anderem als dem vorgesehenen Zähler nicht das Problem einer Fachfirma, sondern eher des Sozialamtes.

Nicht die Menschen sind das Problem, sondern der Arbeits- und Wohnungsmarkt

Ohne weiter spekulieren zu wollen und ohne die Menschen, um die es geht zu kennen: Hier ist eines jener südosteuropäischen Schicksale erkennbar, deren Ankunft in der Bundesrepublik als „Problem“ hingestellt wird. Angeblich „belasten“ sie die Stadtteile, wo sie Unterkunft suchen und finden und die im Zweifelsfalle dann in „Problem-Immobilien“ hausen müssen.

So jedenfalls ist der Tenor der Presseberichterstattung. So sieht es auch die Stadtverwaltung: Das „Problem“ sei die Armutswanderung.

Die wievielte „Armutswanderung“ ist das denn in eine Stadt wie Mannheim? Seit 1945 gab es die Ankunft der aufgrund des deutschen Angriffskrieges aus den ehemals deutschen Ostgebieten Geflohenen und Vertrieben. Nach der ersten Hochphase des „Wirtschaftswunders“ gab es die Ankunft der jungen, kräftigen Süditaliener, die der dortigen Armut entflohen und dem Ruf der deutschen Unternehmer nach frischen Arbeitskräften folgten. Es kamen Griechen, Spanier, Portugiesen, es kamen Jugoslawien (darunter ca. 20% Roma, die aber als solche nicht auffielen), es kamen die Menschen aus der Armut Anatoliens und sonstiger türkischer Regionen – von den Anwerbebüros der Arbeitsverwaltung noch in der Heimat gemustert und verlesen. Die Wohnungsversorgung für diese Arbeitskräfte und die nachziehenden Familien war anfangs auch durch Matratzenlager und Massenunterkünfte geprägt – die anwerbenden Unternehmen dachten nicht daran, für menschenwürdige Wohnungen zu sorgen. Aber die Angeworbenen verdienten wenigstens Geld, wenn auch zunächst am unteren Ende der Skala.

Nicht zu vergessen sind auch die Flüchtlinge aus den zahlreichen Kriegen, an denen das „Westliche Verteidigungsbündnis“ oft wesentliche Verantwortung trägt, wie auch die Flüchtlinge aus den vom Kolonialismus schwer gezeichneten Weltregionen. Sie alle kommen, weil der Arbeitsmarkt jener Wirtschaftsmacht, die ihnen allenthalben als eine der stärksten schon begegnet ist, die besseren Überlebenschancen bietet, wenn auch für die meisten zunächst voller Demütigungen. Die gut qualifizierten, die Ärzte und Informatiker, dürfen gerne kommen und bleiben, und sie können sich auch auf dem Wohnungsmarkt besser, wenngleich oft auch nur unter Schwierigkeiten, versorgen.

Wo bleibt die „Arbeitsgruppe Soziale Wohnungspolitik“?

Die Stadt Mannheim, die vor 400 Jahren aus herbeigerufenen gewerbetreibenden Glaubensflüchtlingen zusammengestoppelte „weltoffene“ Stadt, kann sich auch zukünftig vor dem Schrumpfen nur durch eine kräftig positive Wanderungsbilanz retten. Diese Stadt hat kein Wanderungs-„Problem“, sondern sie hatte immer wieder und sie hat auch gegenwärtig ein Wohnungsproblem, und zwar vor allem im „Unterhaus“.

Wenn allein schon die Ausquartierung von 200 Migrantenfamilien aus dem Asylbewerber-„Wohnheim“ in Normalwohnungen die Verantwortlichen an den Rand des Leistbaren bringt, weil einfach keine preisgünstigen Wohnungen vorhanden sind, dann ist das ein Wohnungs- und kein Flüchtlingsproblem.

Dieses Wohnungsmarktproblem besteht auch darin, dass das „untere Ende“ des Wohnungsangebots von den Vermietern der „Problemimmobilien“ beherrscht wird, und nicht z.B. von der städtischen GBG. Diese bekommt von der öffentlichen Hand nicht die Finanzmittel, die für sozialen Wohnungsbau nötig wären, sondern sie muss den Kommunalhaushalt jährlich mit 1,5 Mio. Euro unterstützen. Dies ist ein Versagen der seit zwei Jahrzehnten herrschenden Wohnungspolitik.

Die Konsequenz kann nur heißen: Die „Arbeitsgruppe Südosteuropa“ sollte möglichst rasch umfirmieren in eine „Arbeitsgruppe Soziale Wohnungspolitik“. Das wäre für alle gut, nicht nur für „Südosteuropäer“.

Und noch eine „Arbeitsgruppe“ wäre fällig …

Die Mannheimer Ausländerbehörde, die – hätte man sie gelassen – das „Problem Südosteuropa“ am liebsten mit „ordnungspolitischen“ Vertreibungsschikanen „gelöst“ hätte, hat auf die von der EU produzierte Freizügigkeitsfalle ausgesprochen gehässig und Illegalitätsfördernd reagiert. Es geht um die Reisefreiheit der ArbeitsmigrantInnen aus Bulgarien und Rumänien ohne Arbeitsfreiheit. Der einzige Ausweg für die Eintreffenden war die Erlangung eines Gewerbescheins. Die Verwaltung in Mannheim ersann allerhand Bedingungen, die von den Antragstellern praktisch nicht erfüllt werden konnten. Besonders überprüfte man, ob nicht etwa “Scheinselbstständigkeit“ vorliege, obwohl es sich von vornherein um ein Überbrückungsproblem bis 31.12.2013 handelte. Denn seit 2014 haben auch diese Menschen Arbeitserlaubnis.

Wenn also z.B. eine Rumänin als „Selbstständige“ für einen Hungerlohn in eine Kneipe putzen ging, wurde sie gefragt, von wem denn der Putzeimer gestellt werde, ob er tatsächlich ihr eigenes „Betriebsmittel“ sei. Wenn sie dies arglos verneinte, war schon wieder eine „Scheinselbstständige“ entlarvt und ein Gewerbeschein! Zufrieden stellte die Ausländerbehörde 2013 (noch unter Bürgermeister Specht) in einer Antwort an den Bezirksbeirat Schwetzingerstadt/Oststadt fest: „Die Zahlen aus dem Gewerberegister untermauern, dass der Stadtteil Schwetzingerstadt kaum durch südosteuropäische Scheinselbständige belastet ist.“ (BBR-VzV019/2013). „Belastet“ sind wohl eher die Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen als Scheinselbständige und damit unter dem Druck der Illegalität arbeiten. Auch die Existenz des „Arbeitsstrichs“, dessen Lohnskala nach unten offen ist, verdankt sich dem offiziellen Arbeitsverbot.

Wer mit seiner Arbeit seinen Lebensunterhalt verdienen kann, am besten durch einen Mindestlohn von 10 Euro abgesichert, ist nicht auf Matratzenlager und auf abgezapften Strom angewiesen. Er / Sie kann sich eine anständige Wohnung leisten – vorausgesetzt, der „Markt gibt sie her“.

Wer als verantwortlicher Politiker wohlfeilen Abscheu vor „ausbeuterischen Bedingungen“ äußert, unter denen die „Südosteuropäer“ wohnen und arbeiten, muss auf die Änderung der Arbeitsgesetze und –Bedingungen drängen anstatt sie pingelig genau anzuwenden, um MigrantInnen mit diesen Gesetzen abzuwehren und zu vergraulen.

Thomas Trüper