Gemeinderat: Resolution für Rehabilitierung der von Berufsverboten Betroffenen

Der Gemeinderat der Stadt Mannheim hat sich auf Antrag der Fraktion LI.PAR.Tie. (DIE LINKE, Die PARTEI, Tierschutzpartei) in einer an die Landesregierung gerichteten Resolution der Forderung nach Rehabilitierung der Betroffenen des sogenannten Radikalenerlasses angeschlossen. Die Resolution wurde in der Sitzung am 24. Oktober mit den Stimmen der LI.PAR.Tie., SPD und Grünen beschlossen.

1972 wurde der „Radikalenerlass“ von der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder unter dem Titel „Grundsätze zur Frage verfassungsfeindlicher Kräfte im Öffentlichen Dienst“ erlassen. In der Folgezeit wurden bundesweit rund 11.000 Berufsverbots- und 2.200 Disziplinarverfahren eingeleitet, offiziell 1.256 Bewerber*innen nicht eingestellt und 265 Beamt*innen entlassen.

In Baden-Württemberg wurde ab 1973 durch den nach dem damaligen Innenminister Karl Schiess (CDU) benannten „Schiess-Erlass“ mit besonderer Härte vorgegangen. Auf das Land entfielen 222 Nichteinstellungen und 66 Entlassungen. Auch für über 30 Betroffene in Mannheim hatte der Erlass schwerwiegende Folgen. Dass es der CDU-Landesregierung nicht um den Schutz der Demokratie, sondern ausschließlich um großzügig ausgelegten „Antikommunismus“ ging, belegt der Umstand, dass zeitgleich Funktionäre der rechtsextremen NPD, wie der Weinheimer Gymnasiallehrer und Holocaust-Leugner Günter Deckert, unbehelligt verbeamtet blieben.

Die Berufsverbote wurden 1987 von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO/ILO) und 1995 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Unrecht verurteilt. 2021 hat eine Vielzahl von Persönlichkeiten aus Politik, Gewerkschaften, Wissenschaft und Kultur einen Aufruf unterzeichnet, den Erlass offiziell aufzuheben, die Folgen der Berufsverbote und ihre Auswirkungen auf die demokratische Kultur aufzuarbeiten, alle Betroffenen vollumfänglich zu rehabilitieren und zu entschädigen.

Die Parlamente mehrerer Bundesländer haben Beschlüsse zur Aufarbeitung gefasst, gegenüber den Betroffenen Entschuldigungen ausgesprochen, Rehabilitierung zugesagt und teilweise auch Entschädigungen angekündigt oder beraten zumindest darüber. Dagegen werden in Baden-Württemberg die Forderungen weiterhin abgelehnt. Ministerpräsident Kretschmann (Die Grünen) hat bei einem Gespräch mit Betroffenen laut Medienberichten daran erneut festgehalten.

Deshalb schließt sich der Gemeinderat in seiner Resolution dem Aufruf von 2021 ausdrücklich an. Er fordert die Landesregierung und den Landtag auf, den Forderungen der Betroffenen nach Aufarbeitung, Entschuldigung sowie Rehabilitierung nachzukommen und einen Entschädigungsfonds einzurichten, um insbesondere in Fällen von Altersarmut und drastischen Pensions- bzw. Rentenkürzungen die entstandenen Verluste auszugleichen. Die Zeit drängt. Einige Betroffene, die teilweise von Altersarmut betroffen waren, sind bereits gestorben, ohne dass sie rehabilitiert wurden und auch nur einen Cent Entschädigung bekommen hätten.

Fraktion Li.PAR.Tie im Gemeinderat