KIM: Bauern-Proteste in Mannheim: Große Autos, große Zustimmung, großer Erfolg

Kommunalinfo Mannheim

350 Traktoren und eine dreistündige, kilometerlange Kolonne durch die ganze Stadt waren am Montagnachmittag nicht zu übersehen. Die Bäuerinnen und Bauern sind echte Profis, wenn es darum geht, auf die eigenen Interessen aufmerksam zu machen. Alle Medien berichteten, überall in der Stadt waren Schaulustige und solidarische Menschen die winkten und hupten. Viel Zuspruch für die Landwirt*innen, viel Ablehnung gegen die Regierung – das war der Bauernprotest und der war offensichtlich auch in Mannheim ein großer Erfolg.

Trotz Verkehrschaos hört man wenig Kritik aus der Bevölkerung, ganz anders als bei den Blockaden von Klimaaktivist*innen oder Streiks anderer Berufsgruppen, zum Beispiel den Lokführer*innen, die ebenfalls in dieser Woche für Verkehrschaos sorgen werden. Ein Plakat an einem Traktor brachte die Sache auf den Punkt: „Gibt es keine Bauern mehr, bleibt der Teller leer.“ An den Landwirt*innen kommt einfach niemand vorbei.

Mit den Protesten wurde bereits viel erreicht. Die Steuersubvention für Fahrzeuge bleibt. Auch bei der Streichung der Agrardiesel-Subvention ist die Regierung zurückgerudert, sie wird auf zwei Jahre verzögert. Der endgültige Ausgang des Ganzen scheint offen zu sein.

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Videobeitrag zur Traktorendemo und Interview mit Wolfgang Guckert, Vorsitzender des Kreisbauernverband Rhein-Neckar. Videobeitrag bei Youtube: https://youtu.be/iUhoW7THHgg

Steuervergünstigungen und Agrardiesel stehen im Mittelpunkt, doch die Ursachen liegen tiefer

Viel Sympathie dürfte den hiesigen Landwirt*innen die Tatsache einbringen, dass es – anders als in anderen Regionen in Deutschland – viele kleinere und mittlelgroße Höfe und weniger großindustrielle Betriebe gibt. So kennt auch man auch die Höfe der Organisator*innen. Kreisbauernsprecher Wolfgang Guckert führt einen Betrieb mit Hofladen im Mannheimer Norden, Mitorganisator Herrmann Michl einen Erbeer- und Spargelhof in Seckenheim.

Immer wieder hört man die Aussage, der geplante Subventionsabbau sei „der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht habe“. Das deutet auf einen jahrelangen Missstand hin, doch grundsätzliche Kritik wird bei der Demo eher verhalten geäußert. „Es fehlt Planungssicherheit für Investitionen“ beklagt Guckert, der sich Politik auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen wünscht und keine ideologischen Entscheidungen. „Jetzt ist die Spannung raus, das kann man nicht mehr einfangen“, so schätzt er die aktuellen Proteste ein.

Sind die Proteste von rechts „unterwandert“?

Mit rechten Organisationen habe man nichts zu tun und sei froh, dass keine Einflussnahme durch diese erfolgt sein, sagt Guckert. Doch gibt es in Mannheim keine Fähre mit Fahrgast Robert Habeck, die man blockieren könnte und auch sonst wenige Gelegenheiten, wie sich die politische Rechte einbringen kann.

An einigen Stellen wird es dennoch deutlich, dass die Grundhaltung etlicher Teilnehmer*innen zumindest konservativ sein dürfte. Das beliebteste mitgeführte Symbol war die deutsche Nationalfahne, einige Sprüche erinnern an Querdenker- und Corona-Proteste (z.B. „Frieden, Freiheit, keine Diktatur“ oder gegen „Gleichschaltung“ der Medien), sie bleiben aber so vage, dass sie beliebig interpretierbar sind. Alles schlechte und böse wird in die Ampel-Regierung hinein interpretiert, obwohl die Missstände in der Landwirtschaft eine jahrelange Vorgeschichte haben.

In Mannheim hatten rechte Organisationen keine großen Auftritte, wenn auch von der AfD und aus der Querdenker-Szene mobilisiert wurde. Einige der Anwesenden der Abschlussveranstaltung an der B44 dürften diesem Milieu zuzurechnen sein. Sie blieben aber in der Rolle der Schaulustigen am Feldrand. Vertreter*innen anderer Parteien waren ebenso vertreten: CDU, Grüne, das Thema ist natürlich für alle wichtig.

Der einzige Politiker, der neben den Organisatoren in Mannheim öffentlich sprechen durfte, war CDU-Bürgermeister Volker Proffen, der den Landwirten viel Erfolg wünschte und auf „ein Umdenken in Berlin“ hoffe. Da dies per Megafon am Feldrand stattfand, gab es allerdings kaum Zuhörer*innen. Die meisten standen da bereits um das große Mahnfeuer herum und wärmten sich auf.

 

Wie sehen linke Alternativen aus?

Dass gerade konservative und rechte Parteien von den Protesten profitieren, dürfte auf eine Grundstimmung in der Bevölkerung zurückzuführen sein. Die Ampel-Regierung ist zur allgemeinen Projektionsfläche für vermeintliche oder tatsächliche Probleme geworden. Einerseits ist das natürlich richtig, denn die aktuelle Regierung ist verantwortlich für ihre politischen Entscheidungen. Viele Probleme liegen aber tiefer und deren Ursachen müssen in jahrelangen politischen Entwicklungen gesucht werden – gerade auch in der Landwirtschaft, wo großindustrielle Betriebe überproportional gefördert wurden und Lebensmittelkonzerne über ihre Marktmacht Niedrigpreise durchsetzen konnten und damit kleine Betriebe zerstörten.

Und wie sieht es mit der AfD aus? Immerhin profiliert sich die rechte Partei vielerorts als „Bauernfänger“ und erlebt in den ostdeutschen Bundesländern großen Zuspruch aus der Bevölkerung. Im Dezember 2023 hat sie zusammen mit den anderen Parteien im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags für die Streichung der Steuersubventionen für Agrar-KFZ gestimmt. „Die AfD lehnt Subventionen generell ab.“ steht folgerichtig auch in ihrem Parteiprogramm und will, dass der Markt alles regelt, Zitat: „gleiche Regeln für alle – ob groß, ob klein, in jeder Branche“.

Doch jetzt, mit den Protesten, macht sie eine komplette Kehrtwende und veröffentlicht zum 8. Januar ein „Sofortprogramm“ mit noch mehr Subventionen, zum Beispiel die Verdopplung der Agrardiesel-Rückerstattung. Das ist Populismus in Reinform und zeigt, dass man den rechten Parteien nicht trauen kann.

Wie können stattdessen linke, kapitalismuskritische Alternativen aussehen? Kommunalinfo wird sich weiter mit dem Thema beschäftigen, Interviews mit Landwirt*innen führen und alternative Modelle ansehen. Denn diese gibt es durchaus, zum Beispiel die „Solidarische Landwirtschaft“, die Höfe vor den Zwängen der entfesselten Märkte schützen und gleichzeitig Investitionen in mehr Nachhaltigkeit ermöglichen will. (cki/scr)

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