Kundgebung „Je suis Charlie“ - Rede von LINKE-Sprecher Thomas Trüper

Anlässlich des terroristischen Anschlags auf die Redaktion des Satire-Magazins "Charlie Hebdo" in Paris fan gestern eine Soliaritäts-Kundgebung in Mannheim statt. Solidarität mit den Betroffenen und Hinterbeliebenen dieses schrecklichen Massakers und mit der von derartigen Zensur-Versuchen angegriffenen Meinungs- und Pressefreiheit.

Hier die Rede unseres Stadtrates und Sprecher DIE LINKE Mannheim, Thomas Trüper:

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Massaker von Paris, dessen Opfer wir heute gedenken, wird zu Recht vor allem als Gewaltverbrechen gegen die Pressefreiheit aufgefasst. Die Pressefreiheit ist eine wesentliche Errungenschaft der Demokratie und ein wesentliches Freiheitsrecht.

Aber das Verbrechen hatte – offenbar gut koordiniert – zwei Schauplätze: Charlie hebdo und einen jüdischen Supermarkt, und gestern gab es noch einen Anschlag auf eine Synagoge in Paris. Damit wird noch deutlicher, um was es den Tätern ging.

70 Jahre nach Ende des letzten in Mitteleuropa geführten Krieges müssen wir zur Kenntnis nehmen: Europa ist an seinen Außengrenzen an vielen Kriegen aktiv beteiligt. Aber Ausläufer dieser Kriege brechen immer wieder ins Herz unserer Gesellschaften ein. Kriege brutalisieren Menschen. Das konnte man vor 100 Jahren erstmals als Massenphänomen beobachten. Und auch das konnte man vor 100 Jahren schon beobachten: Kriege verwirren die Hirne, die Auffassungen und Wahrnehmungen der Menschen. Sie setzen Fanatismus voraus und produzieren Fanatismus.

Wenn wir solche Entwicklungen aktuell stoppen wollen, müssen wir den Fanatismus austrocknen, ihm seine Entwicklungsräume und Resonanzkörper entziehen. Dazu gehört eine Migrationspolitik, die nicht Tausende in die Sackgasse führt. Darüber, wie Kriege beispielsweise in Afrika und Nahost beendet werden können, die zur Auflösung ganzer Staaten geführt haben, gibt es großen Streit in den westlichen Zivilgesellschaften. Aber wir müssen diesen Streit weiterführen; denn bisher hat sich die Lage nur verschärft.

Wir sind alle vereint im Schmerz und in der Wut über die Bluttaten. Deswegen stehen wir hier. Und wir sind sicherlich auch vereint in dem Willen, die Errungenschaften der Demokratie nicht zerstören zu lassen. Wir dürfen sie aber auch im Kampf um die Erhaltung der Demokratie und des inneren Friedens nicht selbst zerstören. Zu letzterem bedarf es noch vieler Diskussionen.

Nicht nur Kriege desorientieren und brutalisieren Menschen. Auch die internationale Verflochtenheit unserer Wirtschaften desorientiert viele Menschen. Dass unsere Wirtschaften mehr Rohstoffe verbrauchen als sie haben und mehr Waren produzieren, als sie konsumieren, nach mehr und billigeren Arbeitskräften verlangen als vorhanden, dass es eine Migration von Waren, Kapital und Menschen gibt, wird von vielen Menschen als Unordnung empfunden. Sie suchen nach einfachsten Erklärungen und greifen nach ethnischen oder religiös verbrämten Ordnungssystemen, die ihnen von Scharlatanen und Fanatikern geboten werden. Die „Ausländer raus“-Parolen, die Verherrlichung eines voraufklärerischen „Abendlandes“, die Verfolgung drakonischer – meist selbst erlassener – angeblich religiöser Ordnungsregeln: all dies ist aus einem Holz geschnitzt. Das gilt für die angeblichen Gotteskämpfer auf der einen Seite und die Ausländerjäger auf der anderen Seite.

Die Verdrehung tatsächlicher sozialer, wirtschaftlicher und machtpolitischer Konflikte in angeblich religiöse oder völkisch-ethnische Konflikte ist ein wesentlicher Kern ihrer Hetze. Lasst uns über solche Konflikte weiterhin offen reden und auf friedliche Art Lösungen und Interessenausgleich suchen. Und wir finden ja auch auf unterer Ebene Lösungen und setzen sie um. Verweigern wir uns aber den verdrehten angeblich religiösen und ethnisch-völkischen Debatten.

Marie Le Pen sagte nach den Massakern: „Keep Calm and Vote Le Pen!“ (Klammer auf: Wir regeln das dann schon nach unseren Methoden) Wir sagen auch in Deutschland: Nein – wir bleiben nicht ruhig. Wir empören uns.

Wir stehen zusammen in der Verteidigung von Demokratie und Freiheitsrechten, von Menschenrechen, und wir stehen ein für soziale Gerechtigkeit, internationale Verständigung und Frieden!

(Anm.: Die kursiven Abschnitte wurden aufgrund der Unruhe und Missfallensäußerungen eines Teils der Versammlung – beginnend etwa ab der zweiten Hälfte des Beitrags – nicht mehr vorgetragen.)